Buchvorstellung

Drei Ausgaben
Druck und Verlag: epubli Verlag Berlin

  1. SCHWARZ-WEISS – SOFTCOVER
    Maria Musiol
    Vittoria Colonna. Ein weibliches Genie der italienischen Renaissance.
    Berlin. Epubli GmbH (2013)
    382 Seiten
    ISBN 978-3-8442-4868-5
    Preis: 37,74€

  2. FARBIG – SOFTCOVER
    Maria Musiol
    Vittoria Colonna. Ein weibliches Genie der italienischen Renaissance.
    Berlin. Epubli GmbH (2013)
    382 Seiten
    ISBN 978-3-8442-4814-2
    Preis: 117,59€

  3. E-BOOK
    Dateiformat PDF
    12,99€ (Erhältlich im epubli E-Book Store)

Die gedruckten Ausgaben der Biographie sind erhältlich bei:

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Das Buch ist auch im örtlichen Buchhandel erhältlich.

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Stellungnahme der Autorin zu ihrem Buch

Wozu eine umfangreiche Biographie über Vittoria Colonna? Hätte nicht ein knappes Profil genügt? Warum die Mühe jahrelanger Forschung, um sich ein Bild von einer einzelnen Frau des Sechzehnten Jahrhunderts zu machen?

Der nie erlahmende Impetus für dieses Buch war Verstörung über das Gender-bedingte schemenhafte Nachleben des weiblichen Genies der italienischen Renaissance, der First Lady des Geistes, die von allen männlichen Geistesgrößen ihrer Zeit als eine weibliche Ausnahmeerscheinung erkannt wurde, einzige Frau im Leben Michelangelos, der von ihr schwärmte, sie sei ein Mann in einer Frau, ja es spräche ein Gott aus ihrem Mund.

Vertiefung in die Sekundärliteratur verstärkte den deprimierenden Eindruck der Herabwürdigung ihrer Genialität, die man, im Gegensatz zu ihren Zeitgenossen, einer Frau nicht zutraute.

Es stimmt traurig, wie sich in dem eklektischen Pastiche von fragmentierenden Essays, die für Vittoria Colonna als hinreichend erachtet wurden, ihr strahlendes Bild in prismatischer Auflösung zu Zerrbildern entstellte.

Zäh behauptet sich bis heute die Mär von ihrem unscheinbaren Äußeren. Mit dem kaiserlichen General Pescara, einem attraktiven Spanier, verehelicht, habe sie ihre Geistesgaben entwickeln müssen, weil sie keine Schönheit gewesen sei, schrieb ein übelwollender Biograph und alle glaubten ihm, auch wenn ein Michelangelo anderer Ansicht war und von ihr die innigsten Zeichnungen schuf.

Obgleich die Identität Vittorias auf der Coverzeichnung dieses Buches wegen ihrer Magersucht – „sie hatte die Haut auf den Knochen“ – und der mit Michelangelo übereinstimmenden Darstellung ihrer auffallenden Physiognomie (lange Nase, volle Lippen, üppiges Haar, hübsche Ohren, Ohrring) durch ihren Biographen Paolo Giovio gewährleistet ist, wurde diese Zeichnung in der Ausstellung Michelangelo – Drawings im Britischen Museum in London (2005) als HEAD OF A YOUNG MAN (?) ausgeschildert, wenn auch mit einem Fragezeichen versehen.

Das Porträt einer biederen Vittoria in der Galerie Colonna wurde im 20. Jahrhundert als die „authentischere“ Darstellung bevorzugt, authentischer als die Zeichnungen Michelangelos für Vittoria Colonna, der sie liebte.

Warum? Weil der durchschnittliche Maler die unvergleichliche Marchesa Michelangelos zur Durchschnittlichkeit reduzierte und ihrem beängstigenden Genius den Garaus machte? Provoziert und erschreckt ihre weibliche Genialität, die einen Michelangelo begeisterte, die gleichmachende Brave New World des 20./21. Jahrhunderts?

Aus einem Eintrag über Vittoria Colonna in Wikipedia: “Ihre Dichtung zeigt technische Perfektion. Aber heute wird sie als konventionell und wenig authentisch beurteilt.“ Die Arroganz eines solchen Fehlurteils und gleichzeitige Naivität des positivistischen Fortschrittswahns benimmt den Atem, als seien die später Geborenen automatisch die klügeren, als sei die Wertschätzung der Dichtung Vittoria Colonnas durch die Geistesgrößen der Renaissance nicht mehr beachtenswert!

Anthologien, die Dichterinnen der Renaissance im Mehrfachpack anbieten, florieren derzeit, ein Gender-Phänomen, weil es männliche Parallelen nicht gibt. Von sozialistisch und intertextuell orientierten Interpreten, voller Skepsis und Aversion gegenüber literarischer Originalität, wurde Vittoria Colonna, die Pionierin weiblicher Liebesdichtung, den Dichterinnen in ihrem Gefolge angepasst und in dem Gruppenphänomen des weiblichen Petrarchismo mit ihnen unterschiedslos zusammengefasst.

Macho Aversion gegen ihre weibliche Liebesdichtung, in der sie in einem unerhörten gender crossing den Mann als dichtendes Subjekt verdrängte und ihn zu ihrem Objekt degradierte, blockiert den Zugang zu dem intellektuellen Kern und der emotionalen Tiefe ihrer großen Sonette.

Nicht wahrgenommen wurde der feministische Impuls der Rime Amorose. Ihre weibliche Liebesdichtung, in der sie, von ihrer patriarchalen Gesellschaft tabuisierte, emotionale Bedürfnisse der Frau artikuliert, war eine raffinierte feministische Entgegnung auf die dynastische Heiratspolitik der Aristokratie, die das Gefühlsleben der Frau eiskalt ignorierte, und auf die kriegsbedingte Abwesenheit der Ehegatten, die sie Kaiser Karl V vorhielt. „Während der Marchese Ihnen unter vielfältigen Gefahren diente, habe ich mich darnach gesehnt, dass er sich bei mir ausruht.“

Die von ihrem misogynen Biographen Wyss als „sklavische Nachahmerin Petrarcas“ verschriene Dichterin grenzte in Wahrheit ihre Witwendichtung, die das Tabu der stillen Trauer brach, programmatisch vom süßen Stil ihres Dichtervaters ab. Di stil no!

Die Etikettierung einer „Heiligen“, die ihr Jacob Burckhardt verpasste, wurde ausnahmslos von allen ihren modernen Interpreten übernommen. Mit Feuereifer fixierten sie die humanistisch gebildete Renaissancefürstin auf den Himmel und zwangen sie auf den mittelalterlichen Weg zur inneren Vollkommenheit, obgleich Vittoria diesen Weg „als zu steil für meinen Fuß“ ablehnte.

Nie spricht sie von spirituellen Fortschritten, sondern immer nur von ihrem „inneren Chaos“. Sie war nicht nur von der Reformtheologie geprägt, wie ihre Interpreten glauben machen, sondern auch vom Renaissance-Humanismus, inkompatiblen Geistesströmungen, die sich nicht vereinen ließen.

Es entging ihren Interpreten, selbst einem Jacob Burckhardt, dass die Renaissancefürstin trotz ihrer spirituellen Veranlagung zeitgemäß den Schwerpunkt ihrer Existenz aus dem fernen Jenseits in ihr irdisches Dasein verlagerte. Brennende Sehnsucht nach der Erfahrbarkeit des Göttlichen, nicht im Jenseits, sondern jetzt in ihrer irdischen Existenz, ist die Grundmelodie ihrer Lyrik, der sie ihre ganz persönliche Stimme verlieh.

Während die Reformtheologen, denen sie anhing, inneren Glauben absolut setzten, ist die Dichterin in ihren Rime Spirituali komplex, tendiert sie in quälendem inneren Zwiespalt zur Ambivalenz, wird sie innerlich zerrissen von der Unvereinbarkeit ihres am griechischen Logos geschulten Geistes mit einer Heilslehre, die ihr Glauben abverlangte, Wissen und Intellektualität aber gering schätzte. Sie war ehrlich genug, ihre innere Zerrissenheit zu artikulieren.

Während die zeitgenössischen Reformtheologen Vittoria  als gleichwertige Gesprächspartnerin anerkannten, ist ihre Gender generierte Herabwürdigung durch moderne Theologen und Kirchenhistoriker unverkennbar, als sei sie nur die gelehrige Schülerin der Reformtheologen gewesen, die, als deren Sprachrohr, ausschließlich den verinnerlichten Glauben der Reformtheologie in ihren Rime Spirituali zum Ausdruck brachte. Wiederum wurde mit ihr und ihrer Dichtung eklektisch verfahren.

Doch ist die Humanistin, die auch den Theologen gegenüber auf ihrer religiösen Selbstbestimmung beharrte, eher subtil unterscheidende Interpretin der Reformtheologie als nur reproduzierende Schülerin. Sie hinterfragte das Gottesbild der Reformtheologen kritisch, vereinte den düsteren Christus der Kreuzestheologie mit dem strahlenden griechischen Gott Apoll in ihrem persönlichen Gottesbild. Da ein Gottvater, der seinem einzigen Sohn den Kreuzestod auferlegte, sie abstieß, ersetzte sie diesen Gott durch „göttliche Menschen“.

Völlig übersehen wurde in der Sekundärliteratur der Einfluss ihrer humanistischen Bildung, in deren Genuss die Aristokratinnen ihrer Generation als erste Frauen kamen, aus der aber vor allem Vittoria Colonna Kapital für eine geistige Renaissance der Frau schlug.

In ihrer einzigartigen weiblichen Subjekt Konstituierung gegenüber dem Mann veränderte sie alle männlichen Denkmodelle, mit denen sie sich befasste, seien sie literarisch, philosophisch, theologisch, aus der Perspektive der Frau, die im Gegensatz zu männlicher Abstraktion Lebensfülle betonte.

Die in der Sekundärliteratur ausnahmslos vorgenommene Einordnung dieses weiblichen Genies in konventionelle Gruppierungen, erzielt keine neuen Erkenntnisse. Von anthropologischem Interesse ist allein die Individuation der Vittoria Colonna, ihre neuartige Subjekt Konstituierung als Frau mittels der Ich-Sprecherin ihrer Sonette, vor allem deshalb, weil ihr lyrisches Ich eine Renaissance der Frau wiederspiegelt, die sie in ihrer Selbstwerdung vollzog und in ihrer Dichtung exemplarisch darstellte.

Eklektische Annäherung verfehlt die Komplexität der Vittoria Colonna, die sich durch den Einfluss der gegensätzlichen Zeitströmungen des Renaissance-Humanismus und der Reformtheologie, aber auch durch ihre bipolare psychische Struktur verstärkt wurde.

Da dieses weibliche Genie in einer für eine Frau beispiellosen geistigen Aufbruchslust aus Konventionen ausbrach und in ihrer weiblichen Renaissance als eine „Neue Frau“ kein Profil ausprägte, darf sie nicht in Schablonen gepresst werden. Evaluierung, Charakterisierung, Einordnung gehen auf Kosten ihrer Individuation, die der Einfühlung, Differenzierung und Beschreibung bedarf.

Im Gegensatz zu einer gefestigten Persönlichkeit, die sich, kalkulierbar und durchschaubar in einem festen Rahmen bewegt, überrascht Vittoria Colonna und irritiert durch ihre nicht erwartete Andersartigkeit. Sie nötigt den Leser, sein vorgefasstes Frauenbild zu korrigieren.

Ihre geistige Lebendigkeit und kreative Lust, ihr unwiderstehlicher Impetus zu weiblicher Selbstwerdung in unterschiedlichen Bereichen ihres Lebens bedingen die Darstellung der Vittoria Colonna live. In Ihrem Individualismus ist sie nur in der Unmittelbarkeit ihres aktiven und geistigen Lebens in einer offenen Form biographischen Schreibens fassbar, weil sich ihre weibliche Renaissance in wechselseitiger Durchdringung ihres Lebens und Dichtens vollzog.

Annäherung an die historische Wahrheit über Vittoria Colonna ist möglich, weil von Gelehrten des 19. Und 20. Jahrhunderts die herausragende Frau in sorgsamen Editionen der Primärtexte zugänglich gemacht wurde.

Dem griechischen Geschichts- schreiber Thukydides folgend, begnügte sich die Autorin, um der historischen Wahrheit willen, auf der Grundlage all ihrer Sonette, Prosa, Briefe und Primärtexte mit der Beschreibung, wie Vittoria Colonna tatsächlich gewesen ist.